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Was ist eine „gute“ katholische Schule?

Dieser Frage stellte sich das Lehrerkollegium von St. Matthias bei ihrer schulinternen Fortbildung am Buß- und Bettag 2014.

Um den Lehrerinnen und Lehrern zu diesem Thema Denkanstöße zu geben, war Prof. Klaus Zierer von der Universität Oldenburg auf Einladung von Herrn Wiechmann, dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung, nach Waldram gekommen.
Prof. Zierer ist der Öffentlichkeit in der Bildungsdebatte der letzten Jahre durch die Übersetzung der aufsehenerregenden Hattie-Studie ("Visible Learning: Lernprozesse sichtbar machen") ins Deutsche bekannt geworden. Für uns besonders interessant war auch der Gesprächsband „Glaube und Bildung“, den er zusammen mit Kardinal Marx veröffentlicht hat.

Zierer nutzte das Quadrantenmodell von Ken Wilber als Grundlage für seinen Antwortversuch.

Zunächst äußerte er Kritik an der Pisa-Studie, deren Analysen zu sehr das Ziel einer wirtschaftsdienlichen Schule im Auge haben. Diese solle die Schüler möglichst effektiv auf ihren Einsatz als Arbeitskraft vorbereiten. Sie berücksichtige lediglich drei Kompetenzbereiche, die alle dem kognitiven Bereich zuzuordnen seien.

Das Attribut „gut“ muss weiter gefasst werden, wenn es eine Schule mit Recht für sich in Anspruch nehmen will.
Das Quadrantenmodell von Ken Wilber ermögliche es, die Wertmaßstäbe, die in der normativen Beschreibung „gut“ enthalten sein sollten, zu definieren.
Das Modell unterscheidet vier Kriterien einer Beurteilung:
„Objektiv“ gut ist eine Schule, wenn dies durch messbare Erfolge belegt werden kann. Nicht nur die kognitiven Fortschritte der Schülerinnen und Schüler, auch die Förderung ihrer sozialen und emotionalen Entwicklung gehöre zum Auftrag einer guten Schule.
Eine Schule muss darüber hinaus „subjektiven“ Maßstäben genügen; d.  h. die Schülerinnen und Schüler, aber auch das Lehrerkollegium müssen sich in ihr wohlfühlen können. Eine gewisse Freude bei der Arbeit muss möglich sein. Vertrauen und eine gewisse Geborgenheit müssen spürbar sein. Der Lehrer müsse sich für jeden Schüler ein individuelles Ziel setzen. Letztlich berücksichtigt eine gute Schule die Bedürfnisse aller an einer Schule Arbeitenden.
Entsprechend dem dritten Quadranten des Modells sollte eine Schule „kulturell passend“ sein. Dann lehrt sie die Schüler auch die Normen, die in der Gesellschaft gelten, als optimale Vorbereitung auf ihr Leben in der Gesellschaft.
Schließlich sollte eine Schule auch „funktional passend“ sein. D.h. ihre Wahrnehmung von außen, im Umfeld der Schule soll dem entsprechen, was sie sich als Ziel ihres spezifischen Programms gesetzt hat.
Am Ende seiner Ausführungen forderte der Referent seine Zuhörer auf, sich im nächsten Schritt bewusst zu machen und festzulegen, worin sich, ausgehend von den vier genannten Perspektiven, in der eigenen Schule das katholische bzw. christliche Proprium zeigt. Denn daraus ergebe sich ein Blick auf die Stärken und die Potenziale der Schule.
Dem ersten Bereich sei z.B. abprüfbares Grundwissen der Religion zuzuordnen, z.B. die christlichen Grundgebete oder Kenntnisse des Lebenswegs Jesu.
Einem Schüler wird eine katholische Schule erst dann als „gut“ erscheinen, wenn er auch Freude, Erfolg im Bereich seiner emotionalen und spirituellen Entwicklung empfindet. Dazu könne beitragen, wenn sich ein Schüler auch bei kritischen Fragen und Zweifeln in Glaubensfragen ernst genommen fühlt.
Im intersubjektiven Bereich ist es Aufgabe der Verantwortlichen zu bestimmen, welche Werte und Verhaltensnormen sie aus christlicher Sicht den Schülern für ihr weiteres Leben mitgeben wollen, so dass sie ihre Verantwortung als Christen in der Gesellschaft wahrnehmen können. z.B. nachhaltiges Verhalten der Umwelt gegenüber, mitmenschliches Verhalten, das dem Konkurrenzdenken entgegensteht. Hilfreich wäre in heutiger Zeit auch, die Schüler zu sinnvollen Freizeitbeschäftigungen anzuleiten.
Letztlich sollte also jeder Lehrer überlegen, wie er in seinem Fach diesen vier Anforderungsbereichen im Sinne einer katholischen Schule gerecht werden kann.
Er schloss seinen ersten Vortrag mit der Bemerkung, dass sich eine gute katholische Schule eben nicht auf ein gottesdienstliches Angebot beschränken darf.

Danach analysierten die Lehrer in einem ersten Schritt in Kleingruppen, worin sich in St. Matthias das katholische Profil bereits jetzt zeigt.

Nach der Mittagspause skizzierte Prof. Zierer an Einzelergebnissen, welche Schlüsse die Hattie-Studie für eine gute katholische Schule zulasse.
Grundsätzlich lasse sich sagen, dass Strukturen allein, z.B. die Klassengröße oder die Unterrichtsmethode, keinen Einfluss auf die Verbesserung des Unterrichtserfolgs haben. Vielmehr komme es vornehmlich auf die Haltung des Lehrers in der Klasse an. Eine wesentliche Voraussetzung für Erfolg im Unterricht sei es, dass ein Lehrer bereit sei, sich auf der Grundlage von Fachwissen und Erfahrung zum „Experten“ weiterzuentwickeln. Die Arbeit eines Experten sei u.a. geprägt von Fürsorge, Kontrolle, Klarheit, und Herausforderung. Er verstehe eine Schülerleistung als Feedback über seinen Unterricht und sei dementsprechend bereit, seine Methoden zu evaluieren. Überhaupt gehöre eine professionelle Feedback-Kultur zu einem seiner wesentlichsten Erkennungsmerkmale.

Mit seinen umfänglichen Ausführungen hat Prof. Zierer einen Denkprozess im Kollegium angestoßen. Er kann dann z.B. im Schulentwicklungsteam kanalisiert werden und sich abschließend in konkreten Verbesserungsvorschlägen für das Unterrichten in St. Matthias äußern.

Thomas Erhard

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