Der Schulkreuzweg hat am Gymnasium und Kolleg St. Matthias eine lange Tradition: Am Donnerstag vor Beginn der Osterferien, in der letzten Stunde des Vormittags-Unterrichts, bricht die ganze Schulfamilie auf, um dem Leiden und Sterben Jesu Christi nachzufolgen. Dieses Jahr nahmen die Organisatoren, die beiden Religionslehrer Simon Fritz und Maximilian Heisler zusammen mit Seminardirektor Pfarrer Martin Schnirch den "Veroneser Kreuzweg" wieder auf, der schon 2006 den Impuls gab.Im Kreuzweg aus Verona, auch der Heimat von Romeo und Julia, stimmt der Ortsbischof die Menschen auf die Karwoche ein und verbindet künstlerische und kulturhistorische Ausdrucks- formen: Der Bischof trägt am späten Abend das Kreuz über die schönsten Marktplätze der Stadt, begleitet von einer Gruppe von Darstellerinnen und Darstellern, die, weiß geschminkt und in weiße Gewänder gehüllt, die einzelnen Stationen in lebenden, statuarischen Bildern "verkörpern". Dazu wird gebetet und gesungen. Wie einst in Jerusalem pilgert das ‘Volk’ mit oder übernimmt die Rolle als Zuschauer, teils interessiert, teils unbeteiligt und gelangweilt.Nach diesem Vorbild wurde St. Matthias, nach 2006, ein zweites Mal Bühne eines Bei-Spiels, nicht als Kopie, sondern in einer ganz eigenständigen Fassung. Diese Form des "theatrum sacrum", die Verbindung von Tradition und zeitloser Abstraktion scheint geeignet, um ein Geschehen, das im Grunde ein jeder kennt und von dem jeder die Eckdaten weiß, wieder als Ärgernis und Torheit (vgl. Apostel Paulus), als Störfaktor kenntlich zu machen. Aber auch als Weg durch Schmerz und Dunkelheit zur Fülle des Lebens, als Weg durch die Engstellen des Lebens zur Freiheit, zur Erlösung im Sinne des Mitgehens.
Neue Impulse im ‘Kreuzweg 2015’ setzte das Ensemble etwa mit Jesus, der diesmal eine leuchtendrote, glänzende Gesichtsmaske trug, sowie ein ‚dunkler Begleiter‘ in Lederjacke, der die Rolle des Pontius Pilatus übernahm, der seine Hände ‚in Unschuld wusch‘. Die letzte Station war in der Seminarkirche erreicht, wo das nun leere Kreuz nach dem Weggang von Jesus zur Reflexion anregte. Und auch diesmal war allen Beteiligten bewusst, dass die gezeigten Meditationen nur Moment-aufnahmen darstellten und fragmentarisch bleiben mussten, weil die wirkliche Tiefe des Geschehens nie ganz auszuschöpfen ist, manches letztlich ungesagt bleiben muss.
Und was bleibt? Die ‚Schöpfer des Spiels‘ sind sich sicher, dass es vermessen sei, dass alle Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrer, „die zu diesem Schauspiel (!) herbeigeströmt waren und sahen, was sich ereignet hatte“, sich an die Brust schlugen und betroffen weggingen, wie der Evangelist Lukas schreibt (Lk 23,48). Aber wenn sich zumindest dauerhaft die Erinnerung an eine ungewöhnliche (Schul-)Stunde der Andacht hält, kann Ostern kommen.

Quelle: Isarkurier, Nr. 14, vom 1. April 2015, S. 20