Wolfratshausen – Am 27. Januar 1945 wird es plötzlich ganz still im Konzentrationslager Auschwitz. Es ist kein Gefechtslärm mehr zu hören. Über die schneebedeckten Felder nähern sich Männer dem Lager. Die Häftlinge haben Angst, dass es Deutsche sind. Doch es sind Soldaten der Roten Armee, die die Überlebenden des Vernichtungslagers befreien.
Schulleiter Claus Pointner erinnerte bei der Eröffnung der Internationalen Wanderausstellung an diesen Tag, der seit 1996 der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist. Seitdem lässt die Fachschaft Geschichte keinen 27. Januar vergehen, ohne an die Schrecken des Nationalsozialismus zu erinnern. Zugleich wollte man, wie Sozialkundelehrer Manfred Ingerl sagte, „die Hoffnung auf eine niemalige Wiederholung wachhalten“.
Das Gedenken sei besonders in Waldram wichtig, so Pointner: Hier befand sich früher das Lager Föhrenwald. Erst waren dort Zwangsarbeiter untergebracht, später war es ein Auffanglager für so genannte Displaced Persons, die der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik entkommen waren.
Am 27. Januar wurde Auschwitz befreit, die Häftlinge des KZ Dachau mussten noch bis 29. April warten – dann wurden auch sie gerettet, durch US-Soldaten. 22 der ehemaligen Gefangenen stehen im Mittelpunkt der Ausstellung, die aus dem Projekt „Dachauer Gedächtnisbuch“ hervorgegangen ist. Aus den über 100 Biographien wurden exemplarisch 22 vorgestellt. Und damit die Lebensgeschichten auch wirklich lebendig werden, hatte Geschichtslehrerin Inge Schmidt den Schülern der Klasse 10 aufgetragen, die Menschen hinter den Nummern vorzustellen.
So war bei der Ausstellungseröffnung von Ernst Feldern (1914-2007) zu hören, der den Wahnsinn im KZ nur überlebt, weil er Maurer ist – diese Arbeitskraft wollten die Nationalsozialisten nicht unnötig vergeuden. Erzählt wurde auch von Friedrich Puchta, einem SPDler, der beim Todesmarsch vom KZ Dachau nach Bad Tölz dabei ist. Er wird noch im Tölzer Krankenhaus verarztet, stirbt dort aber dennoch am 17. Mai 1945. Puchtas Notiz zu einem früheren Zeitpunkt: „Es kann sein, dass wir unser Leben hinwerfen müssen in der Verteidigung unserer Freiheit. Und wir sind zum Äußersten entschlossen.“ Auf anderen von der Decke der Schulaula hängenden Stoffbahnen ist über das Gedächtnisbuch, die Geschichte des KZ Dachau und den Zweiten Weltkrieg zu lesen. Doch was fesselt, das sind die Biographien. Die von Marc Brafmann (1920-2002), der in Dachau aus dem Zug steigt und die frische Luft genießt. Es ist nach fast zwei Monaten in vollen Waggons das erste Mal, dass er befreit atmen kann. Er denkt, jetzt würden seine Lebensbedingungen wieder besser. Den Berichten anderer Häftlinge von Schlägen, Hunger und harter Arbeit schenkt er keinen Glauben. „Das kann nicht so schrecklich sein, wenn man euch sogar Pyjamas gibt“, sagt er zu zwei Häftlingen – er meint ihre schwarz-weiße Sträflingskleidung. „Am nächsten Tag habe ich dann verstanden“, endet seine Erzählung.
Überlebt hat auch Israel Hener (1900-1982). Doch zu welchem Preis: Seine Frau Rosa und zwei Kinder, die er versteckt hatte, werden gefunden und ermordet; ein Bauer, dem die anderen beiden Kinder gegen Bezahlung anvertraut werden, verrät sie und lässt die Kinder von den Nazis abholen. Hener arbeitet nach dem Krieg als Schneider in Feldmoching – seine Frau und die vier Kinder kann er nie vergessen.

Öffnungszeiten
„Namen statt Nummern – Gedächtnisbuch für die Häftlinge des KZ Dachau“ ist bis 12. Februar im Gymnasium und Kolleg St. Matthias zu sehen (Eingang Bettingerstraße 2). Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 9 bis 17 Uhr, Donnerstag 9 bis 18 Uhr, Freitag 9 bis 17 Uhr und Samstag 8 bis 12 Uhr.

Autorin: Helga Gandlgruber

Quelle: Isar-Loisachbote, Donnerstag, 28. Januar 2010, Nr. 22, Lokales, S. 3